Was ist der Pflichtteil?

Grundsätzlich kann jedermann über sein Vermögen durch ein Testament frei verfügen. Im Testament kann jede beliebige Person als Testamentserbe eingesetzt werden. Damit gewisse Personen nicht leer ausgehen, bestimmt das Pflichtteilsrecht, dass gewisse Personen jedenfalls etwas „erben“ müssen, auch wenn eine andere Person vom Verstorbenen durch ein Testament begünstigt wurde. Der Pflichtteilsanspruch ist kein direkter Anspruch auf gewisse Gegenstände in der Verlassenschaft, sondern ein Geldanspruch gegen die Testamentserben.

Pflichtteilsansprüche

Wer ist pflichtteilsberechtigt?

Pflichtteilsberechtigt sind

– die Nachkommen (das sind die Kinder, Enkel usw) des Verstorbenen, und

– der Ehepartner oder eingetragene Partner des Verstorbenen

Bis zum 31.12.2016 waren auch die Eltern des Verstorbenen pflichtteilsberechtigt.

Wie hoch ist der Pflichtteil?

Der Pflichtteils ist von der Höhe des gesetzlichen Erbrechts abhängig. Er beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote.

Zur Berechnung wird also so getan, als hätte der Verstorbene kein Testament errichtet. Die Pflichtteilsberechtigten erhalten dann einen Pflichtteil in Höhe der Hälfte des so ermittelten gesetzlichen Erbrechts.

Beispiel: Der Verstorbene hinterlässt seine Ehefrau und 3 Kinder. Hätte er kein Testament errichtet würde die Ehefrau 1/3 und die Kinder jeweils 2/9 erben. Die Höhe des Pflichtteils beträgt daher bei der Ehefrau 1/6 und den drei Kindern jeweils 1/9.

Gibt es Ausnahmen vom Pflichtteil?

Es gibt mehrere Ausnahmen vom Pflichtteil:

– Auf den Pflichtteil kann verzichtet werden.

– Bei gewissen Gründen kann eine Enterbung erfolgen.

– Unter gewissen Gründen ist eine Pflichtteilsminderung möglich.

Wann ist eine Pflichtteilsminderung möglich?

Der Pflichtteil kann auf die Hälfte gemindert werden, wenn zwischen dem Verstorbenen und dem Pflichtteilsberechtigten zu keiner Zeit oder zumindest über einen längeren Zeitraum vor dem Tod kein Verhältnis bestanden hat, wie es zwischen solchen Verwandten üblicherweise besteht.

Mehr Informationen dazu, was unter „längerem Zeitraum“ zu verstehen ist erhalten Sie hier: Pflichtteils­minderung auf die Hälfte erst nach 20 Jahren möglich

Die Pflichtteilsminderung ist ausgeschlossen, wenn der Kontakt vom Verstorbenen zu Lebezeiten grundlos verweigert wurde oder der Verstorbene berechtigten Anlass zur Kontaktvermeidung gegeben hat.

Wer muss auf wen zugehen, um eine Pflichtteilsminderung zu vermeiden?

Diese Frage beantwortete der Oberste Gerichtshof in einer neuen Entscheidung (OGH 2Ob116/22f).

Vor dem Erbrechtsänderungsgesetz wurde vertreten, dass der Pflichtteilsberechtigte zumindest versuchen musste, den Kontakt herzustellen. Dieser Kontaktversuch musste vom späteren Verstorbenen aktiv abgelehnt werden.

Nach dem Erbrechtsänderungsgesetz wird nunmehr ein aktiver Kontaktaufnahmeversuch nicht mehr gefordert. Es könnte daher auch ohne Kontaktaufnahmeversuch der Pflichtteilsberechtigten der Fall sein, dass eine Pflichtteilsminderung ausgeschlossen ist. Nach dem OGH muss aber ein gewisses sanktionsbedürftiges Verhalten des Verstorbenen vorliegen, das es rechtfertigt, ihm die Möglichkeit der Pflichtteilsminderung zu verwehren. Eine aktive Ablehnung des Kontaktrechts ist nicht notwendig, es reiche schon, auf allfällige Versuche der Kontaktaufnahme nicht zu reagieren.

Sind nun aber sowohl der Pflichtteilsberechtigte als auch der Verstorbene zu Lebzeiten an einem Kontakt nicht interessiert, so fehlt es an einem sanktionsbedürftigen Verhalten des Verstorbenen, eine Pflichtteilsminderung ist daher noch nicht ausgeschlossen.

Gegenseitiges Desinteresse kann daher zu einem Pflichtteilsminderungsanspruch führen.

„Auch wenn eine aktive Kontaktaufnahme nicht mehr notwendig ist, sind Personen, für die ein Pflichtteilsanspruch in Frage kommt, gut beraten, wenn sie sich aktiv um den Kontakt mit dem Erblasser bemühen. Optimalerweise sollten solche Bemühungen auch nachweisbar sein. So kann eine Pflichtteilsanspruch jedenfalls erhalten werden“, empfiehlt Dr. Franz Haunschmidt, Experte für Erbrecht.

Unser Experte:

Dr. Franz Haunschmidt, Partner unserer Kanzlei ist ausgewiesener Experte für Erbrecht. Er ist Autor erbrechtlicher Fachliteratur und seit Jahrzehnten im Erbrecht tätig. Er ist einer der wenigen österreichischen Anwälte, der auch die Notarausbildung genossen.

Rechtsanwalt Dr. Franz Haunschmidt vertritt auch Sie gerne in sämtlichen erbrechtlichen Streitigkeiten wie insbesondere Verlassenschaftsverfahren oder Verfahren zur Durchsetzung von Pflichtteilen oder sonstigen erbrechtlichen Ansprüchen.

Dr. Franz Haunschmidt

Rechtsanwalt und Partner

Franz Haunschmidt ist seit 1992 Rechtsanwalt und Partner der Kanzleigemeinschaft.

Spezialgebiete von Dr. Haunschmidt sind Liegenschafts- und Vertragsrecht, Unternehmensnachfolge, Familien- und Erbrecht.
Er ist Autor einiger Praxishandbücher des österreichischen Erbrechtes, die bereits in mehreren Auflagen erschienen sind und laufend aktualisiert werden.

Dr. Haunschmidt zählt zum ausgesuchten Kreis jener Anwälte, die als zusätzliche Qualifikation über die Ausbildung zum Notar verfügen. Im Rahmen seiner beruflichen Schwerpunkte ist Dr. Haunschmidt als Kurs- und Seminarleiter, insbesondere in der Rechtsanwaltsausbildung und im Bankenbereich tätig.


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