Fällt ein Baum – etwa bei einem Sturm – um und verursacht einen Schaden, stellt sich die Frage nach der Haftung:
Wer haftet für den umgefallenen Baum?
Für eine Haftung kommt in erster Linie der Baumhalter in Frage. Das ist der, der in der Lage und auch verpflichtet war, durch die erforderlichen Vorkehrungen die Gefahr abzuwenden. Auf das Eigentum kommt es dabei nicht entscheidend an. Es kann daher auch zu einer Haftung des Mieters, Pächters, Fruchtnießers und anderen Besitzern kommen.
Wann haftet der Baumhalter?
Die Baumhalterhaftung wird gleich wie die Gebäudehaftung geregelt. Es handelt sich um eine Verschuldenshaftung mit Umkehr der Beweislast. Das bedeutet:
Der Geschädigte hat zu beweisen, dass derjenige, von dem er den Schaden ersetzt haben möchte, Halter des Baumes ist und dass die Mangelhaftigkeit des Baums die Schadensursache war.
Der Baumhalter hingegen muss beweisen, dass er die erforderlichen (vernünftigen) Schutzvorkehrungen getroffen hat, um nicht zu haften.
Was diese erforderlichen Schutzvorkehrungen sind, ist für den jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.
Sonderregelung für Waldeigentümer:
Andere Regeln gelten jedoch für umgestürzte Bäume, die Teil eines Waldes waren.
Was ist ein Wald?
Ein Wald ist eine Ansammlung von Bäumen mit einer zusammenhängenden Mindestfläche von 1.000 m² und einer durchschnittlichen Breite von zumindest 10 Metern (§ 1a Forstgesetz 1975).
Den Waldeigentümer und dessen Leute trifft grundsätzlich keine Pflicht zur Abwendung der Gefahr von Schäden, die abseits von öffentlichen Straßen und Wegen durch den Zustand des Waldes entstehen können.
Eine besondere Regelung gilt also für Schäden, die an öffentlichen Straßen oder Wegen entstehen können. Hierbei haftet der Waldeigentümer jedoch nur bei grober Fahrlässigkeit.
Aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes:
Der Oberste Gerichtshof (OGH 9 Ob 28/22s) hatte sich kürzlich wieder mit der Frage der Haftung des Waldeigentümers für umgestürzte Bäume beschäftigt.
Was ist passiert?
Auslöser für das Urteil war ein Motorradunfall:
Ein Motorradfahrer fuhr auf einer Landstraße auf der quer über die Fahrbahn ein umgefallener Baumstamm lag. Der umgefallene Baumstamm stammte aus einem an die Straße angrenzenden Waldgrundstück. Der Baum brach unmittelbar vor dem Unfall ab und rutschte über die Böschung auf die Landesstraße. Der Motorradfahrer fuhr mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von ca 100 km/h. Er passte seine Geschwindigkeit nicht den aufgrund des Lichteinfalls (starker Sonnenschein, starker Wechsel zwischen Licht und Schatten) erschwerten Sichtbedingungen an, sodass er vor dem bereits liegenden Baumstamm nicht rechtzeitig anhalten konnte. Als er diesen erblickte, machte er zwar noch eine Notbremsung, kollidierte jedoch mit dem Baumstamm und verletzte sich.
Das Waldgrundstück, auf dem der umgefallene Baum stand, ist zur Landesstraße hin stark abgeböscht. Der umgestürzte Baum war eine Rotkiefer mit einem mindestens 9,2 m langen, vermutlich zwischen 10 und 11 m langen Stamm, der sich auf der Böschung in einem Abstand von 14,5 m zum Straßenrand befand. Der Baum wies infolge eines aufgrund Sonneneinfalls entstehenden natürlichen Astreinigungsprozesses keine Äste mehr auf. Der Stamm war von Käfern befallen, sodass sich die Rinde ablöste. Dies war jedenfalls über ein Jahr hin sichtbar, beeinträchtigte jedoch nicht die Holzsubstanz und verursachte nicht den Baumsturz. Auslöser für den Bruch des Stammes war, dass sich die Holzsubstanz im Stammbereich über mehrere Jahre hindurch durch Eindringen von Fäuleerregern zersetzte. Dieser Vorgang war von außen weder aus größerer Entfernung, noch durch bloßen Augenschein aus nächster Nähe nicht erkennbar. Die Zersetzung wäre nur durch Bohrungen im unteren Stammbereich erkennbar gewesen. Solche Bohrungen sind in der natürlichen Forstwirtschaft nicht üblich oder vorgesehen. Aus ökologischen Gründen ist es forstrechtlich legitim und auch in waldökologisch orientierten Forstkreisen häufig, Spechtbäume/Totholz stehen zu lassen.
Was hat der OGH entschieden?
Den Waldeigentümer und dessen Leute sowie sonstige an der Waldbewirtschaftung mitwirkende Personen (wie Nutznießer, Einforstungs‑ oder Bringungsberechtigte, Schlägerungs‑ oder Bringungs-unternehmer) und deren Leute trifft gemäß § 176 Abs 2 ForstG 1975, vorbehaltlich des Abs 4 dieser Bestimmung oder des Bestehens eines besonderen Rechtsgrundes, keine Pflicht zur Abwendung der Gefahr von Schäden, die abseits von öffentlichen Straßen und Wegen durch den Zustand des Waldes entstehen könnten. Sie sind insbesondere nicht verpflichtet, den Zustand des Waldbodens und dessen Bewuchses so zu ändern, dass dadurch solche Gefahren abgewendet oder vermindert werden. Wird ein Schaden auf Wegen durch den Zustand des danebenliegenden Waldes verursacht, so haften gemäß § 176 Abs 4 Satz 2 ForstG 1975 der Waldeigentümer, sonstige an der Waldbewirtschaftung mitwirkende Personen und deren Leute keinesfalls strenger als der Wegehalter. Wegen dieser ausdrücklichen Spezialbestimmung ist hier die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt.
Nach der Rechtsprechung ist aus § 176 Abs 2 und Abs 4 ForstG 1975 ableitbar, dass diese den Waldeigentümer mit der Obsorgepflicht bei erkennbar gefährlichem Waldzustand entlang öffentlicher Straßen und Wege belasten.
Grobe Fahrlässigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung eine auffallende Sorglosigkeit, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falls in ungewöhnlichem Maße verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist. Der objektiv besonders schwere Verstoß muss also auch subjektiv schwer anzulasten sein.
Mit den Argumenten, es wäre im vorliegenden Fall eine umfassende Kontrolle inklusive einer Bohrung im Stammbereich des Baumes erforderlich gewesen, der erkennbar Totholz gewesen sei, setzt sich der Geschädigte darüber hinweg, dass eine solche Bohrung im vorliegenden Fall ungeachtet des konkreten, auch objektiv sichtbaren Zustands des Baumes weder indiziert war noch in der natürlichen Forstwirtschaft üblich ist. Dem Sachverhalt war laut OGH gerade nicht zu entnehmen, dass die für den Unfall ursächliche Schädigung der Holzsubstanz aus dem äußeren Erscheinungsbild des Baumes erkennbar (ableitbar) gewesen wäre. Laut OGH habe dieser ohnehin berücksichtigt, dass aufgrund der konkreten Gegebenheiten bei einer möglichen Nachschau eine Entfernung des Baumes zwar zweckmäßig, aber eben nicht zwingend unmittelbar erkennbar gewesen wäre. Da in der fraglichen Unterlassung einer Sicherungsmaßnahme kein extremes Abweichen von der gebotenen Sorgfalt erblickt werden kann, liegt grobe Fahrlässigkeit nicht vor.
Der Oberste Gerichtshof hat also eine Haftung des Waldeigentümers verneint.
„Da Waldeigentümer nur bei grober Fahrlässigkeit haften, sind sie grundsätzlich gut geschützt, dennoch sind regelmäßige Kontrollen des Baumbestandes und deren Dokumentation gerade im Bereich von öffentlichen Straßen sinnvoll, um bei möglichen Haftungsprozessen die eigene Sorgfalt unter Beweis stellen zu können. Bei erkennbar gefährlichem Waldbestand an öffentlichen Straßen herrscht Handlungsbedarf!“, empfiehlt Haftrechtexperte Rechtsanwalt Mag. Peter Breiteneder.
Unser Experte:
Mag. Peter Breiteneder, Partner unserer Kanzlei, ist ausgewiesener Experte für Schadenersatz und Haftungsrecht. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung und Vertretung gegenüber Gerichten und Behörden in Haftungsfragen.
Rechtsanwalt Mag. Peter Breiteneder vertritt auch Sie gerne in sämtlichen schadenersatzrechtlichen Streitigkeiten wie insbesondere bei Waldhaftung, Wegehalterhaftung, Gebäudehaftung und Unfällen.